„Wir haben keine Zeit mehr für lähmende Dystopien. Wir brauchen Geschichten, die Mut machen – und den Mut, ihnen Leben einzuhauchen.“ (Louisa Schneider)
Klimajournalistin und Moderatorin Louisa Schneider ist auf Social Media, auf den Straßen und als Speakerin auf Bühnen unterwegs, um über die Klimakrise zu berichten und aufzuklären. In Zusammenarbeit mit Greenpeace und dem Naturfotografen Markus Mauthe ist sie seit Ende 2022 für das internationale Projekt “grad° jetzt” aktiv; gemeinsam haben sie die fünf sogenannte “Klima-Kipppunkte” bereist.
Du hast dein Berufsleben als Journalistin beim SWR begonnen. Nun berichtest du intensiv über die Klimakrise. Wie ist es dazu gekommen?
Louisa Schneider: Ich habe vier Jahre lang beim SWR gearbeitet – erst als Reporterin, später auch frei, parallel zum Studium. In dieser Zeit habe ich mich zunehmend mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit beschäftigt. Ich habe in Obdachlosenunterkünften recherchiert, mit Menschen gesprochen, die kaum mehr Teil der öffentlichen Debatte sind. Ich war an den EU-Außengrenzen unterwegs und habe NGOs begleitet, die Geflüchtete unterstützen.
Und in all diesen sozialen Krisen tauchte irgendwann immer wieder dasselbe Thema auf: die Klimakrise. Sie war wie ein unsichtbarer Faden, der alles verband – oft nicht benannt, aber immer spürbar. Ich habe verstanden: Die Klimakrise ist kein isoliertes Umweltproblem. Sie ist ein Verstärker bestehender Ungerechtigkeiten. Wer heute auf der Straße lebt, leidet stärker unter Hitzewellen, unter Kälte, unter Extremwetter. Wer aus dem globalen Süden kommt, wird von Dürren, Überschwemmungen, Ernteausfällen zur Flucht gezwungen – ohne dass diese Ursachen in Asylanträgen anerkannt werden. Mir wurde klar: Wenn wir die Klimakrise nicht mitdenken, können wir keine einzige soziale Krise wirklich lösen. Das war für mich der Wendepunkt – und der Beginn meiner Reise hin zum Klimajournalismus.
Du hast eine Reise zu den fünf Klimakipp-Punkten der Erde unternommen. Welcher Ort hat dich am meisten emotional mitgenommen – und warum?
Jeder Ort war auf seine Weise erschütternd. In Grönland habe ich erlebt, wie das Eis schmilzt – in Echtzeit. In Australien standen wir in abgebrannten Landschaften. In Kanada wurde mir klar, wie eng die Klimakrise mit kolonialer Geschichte verwoben ist.
Aber Brasilien war für mich der emotionalste Wendepunkt. Dort habe ich unter anderem meinen Partner André kennengelernt – und die Yanomami, ein indigenes Volk, das im Herzen des Regenwaldes lebt. Wir durften mehrere Tage mit ihnen verbringen – eine Erfahrung, die mein Weltbild verändert hat. Die Yanomami zeigen, dass es möglich ist, in echter Harmonie mit der Natur zu leben. Ihre Lebensweise ist nicht rückständig, sondern visionär – weil sie uns einen Weg zeigt, wie ein Leben innerhalb planetarer Grenzen aussehen kann. Und das, obwohl sie selbst massiv bedroht sind: durch illegale Goldgräberei, durch Quecksilber, durch Abholzung und politische Vernachlässigung. Was mich besonders bewegt hat: Ihre pure Existenz schützt den Wald. Sie kontrollieren und verteidigen ihr Territorium, und das ist messbar. Indigene Gemeinschaften machen nur 5 % der Weltbevölkerung aus – und schützen über 80 % der weltweiten Biodiversität. Diese Zahl sagt alles.
Wenn wir über Lösungen sprechen, dann müssen wir auch über Gerechtigkeit sprechen. Und über die Frage: Warum hören wir eigentlich so selten auf die, die diese Welt am besten verstehen?
In der Zusammenarbeit mit Greenpeace ist das „Grad°Jetzt“-Multimedia-Projekt entstanden, mit dem du auf Tour in Deutschland bist. Wie sind die Reaktionen des Publikums?
Die Reaktionen sind überwältigend. Menschen weinen, umarmen mich, schreiben mir lange Nachrichten nach der Show. Und sie sagen vor allem eines: „Danke, dass du mir wieder Hoffnung gibst.“ Ich glaube, viele Menschen sind emotional erschöpft. Sie wissen, dass die Klimakrise real ist, aber sie fühlen sich ohnmächtig. Was wir mit der Show schaffen wollen, ist ein Raum, in dem diese Emotionen Platz haben – aber nicht in Resignation enden, sondern in Handlungskraft.
Wir erzählen keine Dystopie. Die Realität ist schon düster genug. Wir erzählen Geschichten von Widerstand, von Hoffnung, von Menschlichkeit. Wir schauen hin – ehrlich und ungeschönt. Aber wir bleiben dort nicht stehen. Wir zeigen Wege. Möglichkeitsräume. Und das macht etwas mit den Menschen. Viele sagen danach: „Ich habe mich vorher so klein gefühlt – aber jetzt weiß ich, dass ich Teil einer globalen Bewegung bin.“ Diese Verbindungen, dieses Gefühl von Gemeinsamkeit – das ist vielleicht das Wichtigste, was wir vermitteln können.
Auf deiner Reise hat dich auch der Fotograf Markus Mauthe begleitet. Wie habt ihr euch auf die Reise vorbereitet?
Unsere Vorbereitung war intensiv – und sehr bewusst. Wir wollten nicht einfach losziehen und Bilder „einfangen“. Wir wollten verstehen. Deshalb haben wir viel recherchiert, lange Gespräche geführt, lokale Kontakte aufgebaut. In jedem Land haben wir mit Aktivist:innen zusammengearbeitet, oft junge Menschen, die sich mit unglaublichem Mut für ihre Gemeinschaft einsetzen. Sie waren nicht nur unsere Übersetzer:innen – sie waren unsere Brücken zur Realität vor Ort.
Es war uns extrem wichtig, nicht als „die weißen Journalist:innen aus Europa“ aufzutreten, die erklären, wie die Welt funktioniert. Wir wollten zuhören. Lernen. Teilnehmen – nicht dominieren. Und Markus hat dabei eine ganz besondere Rolle gespielt: Er schaut mit einem sehr sensiblen Blick auf die Welt. Seine Bilder sind keine Sensation – sie sind Begegnung.
Wie viele Fotos sind auf eurer Reise entstanden – und gibt es eins, das dir besonders am Herzen liegt?
Es sind tausende Bilder entstanden – jedes erzählt eine Geschichte. Aber eines hat sich besonders in mein Herz gebrannt: ein Bild aus Grönland. Es zeigt einen Eisberg, in dem sich das Licht so spiegelt, dass alles fast surreal wirkt – wie ein gemaltes Gemälde. Die Farben sind überzeichnet, fast zu intensiv. Aber das ist kein Filter, kein Photoshop. Es ist die Realität – weil das Eis das Licht auf so besondere Weise bricht. Und gleichzeitig weißt du: Dieses Bild existiert nur für einen Sekundenbruchteil. Der Eisberg verändert sich ständig. Er schmilzt. Er dreht sich. Er bricht auseinander.
Für mich steht dieses Foto für alles, worum es geht: für die Schönheit dieser Welt. Für ihre Vergänglichkeit. Und für die Dringlichkeit, sie zu bewahren – nicht nur für uns, sondern für die Menschen, die auf diesem Eis leben. Die es schützen. Die dort bleiben wollen. Wenn ich dieses Bild sehe, denke ich: Genau darum erzähle ich. Genau dafür kämpfe ich.
Und zum Schluss eine Frage in die Zukunft: Was wird dein nächstes Projekt – oder ist das noch geheim?
Ein bisschen geheim vielleicht – aber ich kann sagen: Es geht weiter. Wir arbeiten gerade an einer multimedialen Serie, die die Geschichten von „Grad° jetzt“ auf eine neue Ebene hebt – visuell, emotional, global.
Und ja, auch die nächste Reise wird gerade geplant. Noch ist nichts spruchreif, aber ich verspreche: Wir bleiben laut. Wir erzählen weiter. Und wir hören nicht auf, für Gerechtigkeit zu kämpfen – mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen: Journalismus, Kunst, Geschichten, Begegnung.
Weitere Informationen zu Louisa Schneider und Greenpeace:
Webseite: www.louisaschneider.info
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LinkedIn: @louisaschneider.info
Buch: shop.autorenwelt.de/products/grad-jetzt-von-louisa-schneider
Tickets: https://outdoor-ticket.net/events/grad-jetzt/
Termine Greenpeace:
Grad°jetzt Tour
Greenpeace Live-Reportagen
Fotografien:
Copyright Markus Mauthe / Greenpeace
Portrait von Louisa Schneider und Markus Mauthe: Copyright André D’Elia / Greenpeace