Im Gespräch mit – Lutz Jäkel

„Wenn wir häufiger genauer hinschauten, stellten wir fest, dass uns mit dem vermeintlich Fremden viel mehr verbindet, als uns trennt.“

Lutz Jäkel

Du bist seit langem als Fotojournalist unterwegs. Wie bist du zu deiner „Berufung“ gekommen?  

Lutz Jäkel: Wie die Jungfrau zum Kinde. Wie die meisten Studierenden wollte auch ich damals, in den 1990ern, „irgendwas mit Medien“ machen. Aber verfolgt habe ich das nicht wirklich. Ich bin aber während des Studiums der Islamwissenschaften und Geschichte in den Semesterferien viel gereist, habe mit einer alten Minolta – ich glaube, ich hatte sie von meinem Papa geliehen – ein bisschen geknipst, Fotos als Erinnerung in mein WG-Zimmer aufgehängt. Nachdem immer wieder mal Freunde sagten, das seien schöne oder sogar tolle Fotos, habe ich das irgendwann selbst geglaubt. Also habe ich mich mehr mit Fotografie beschäftigt, mich Jahre später mit einem sehr guten Freund, der schon als Journalist gearbeitet hat, zusammengetan und es entstand ein erster Bildband über arabische Länder. Das war der Türöffner, so bin ich nach und nach reingerutscht in die Szene. Irgendwann war ich dann Fotojournalist und Autor.

Was liebst du mehr an deiner Arbeit – die Fotografie oder den Journalismus?

Das kann man schwer voneinander trennen. Ich habe in der Fotografie einiges ausprobiert, daher früher auch mal eine Zeitlang als Foodfotograf gearbeitet, für Buchprojekte und Foodreportagen, einfach weil ich gerne koche und gerne esse. Für Unternehmen war ich auch mit PR-Fotos unterwegs, allen voran für eine große Reederei, auch das war ein guter Weg, Reisen mit Fotografie zu verbinden. Bei diesen Genres geht es aber vor allem um eines: Schöne Fotos machen. Das hat Spaß gemacht, habe ich aber irgendwann aufgegeben, weil ich merkte, dass Reportagefotos für Buchprojekte, Magazinreportagen oder auch für die Bühne, also für Live-Reportagen, vielfältiger, herausfordender, aufregender, interessanter sind. Denn hier geht eher um Authentiztät, um ein Abbild der Wirklichkeit. Auch wenn es immer subjektiv bleiben muss, weil ich als Fotograf alleine durch die Wahl des Bildausschnitts, des Objektivs, des Lichts eine Bildaussage beeinflussen kann. Dessen muss man sich immer bewusst sein. Aber es geht um den Versuch, möglichst realitätsnah abzubilden, also beispielsweise nicht in ein Geschehen einzugreifen, sondern Geschehen zu erfassen und festzuhalten. Hier kommen also Fotografie und Journalismus zusammen, darin sehe ich die größte Herausforderung, die mir große Freude bereitet.

Wer dich bei deinen Live-Reporten schon einmal als Gast besuchen durfte, sieht deine Begeisterung für die arabische Welt. Wurde dir das schon in die Wiege gelegt?

 Das freut mich, wenn meine Begeisterung für die arabische Welt spürbar wird auf der Bühne. In die Wiege gelegt wäre vielleicht zu viel gesagt, aber ich habe als Kind durch den Beruf meines Vaters fünf Jahre in Istanbul gelebt, vom fünften bis zum zehnten Lebensjahr, wichtige Kindheitsjahre also. Dadurch wurde sicher mein Interesse für den islamischen Kulturkreis geweckt. Später erst habe ich mich dann vor allem der arabischen Welt verschrieben und beschlossen, Islamwissenschaften zu studieren, weil ich mehr über diese Länder, die Menschen und ihrer Kulturen erfahren wollte, die mich bis heute faszinieren.

Du äußerst dich auch zu tagesaktuellen politischen Themen. Was treibt dich dabei an?

Wenn man mit seiner Arbeit den Schwerpunkt auf die islamische Welt gelegt hat, vor allem auf den arabischen Teil dieser Welt, wird man häufig mit Ressentiments gegenüber den Menschen aus diesen Ländern konfrontiert. Diese Ressentiments entstehen in erster Linie durch Unwissenheit, durch Ignoranz. Das ist nicht immer böse gemeint, viele wissen einfach zu wenig, meistens nichts über diese Region. Spätestens mit der sogenannten Flüchtingskrise seit 2015 zeigt sich im Rechtsruck Europas, dass immer mehr Menschen bei uns überfordert sind, aus den unterschiedlichsten Gründen. Jenseits der noch immer bestehenden Willkommenskultur in weiten Teile der Bevölkerung ist auch bei uns ein Rechtsruck deutlich zu sehen. Dieser Rechtsruck, diese oftmals dumpfen Ressentiments, die manchmal zu Menschenverachtung oder zu Hass führen, dieses Gift in einer pluralen, offenen Gesellschaft treibt mich um, macht mir Sorge. Ich versuche daher mit meiner Arbeit, über diese Länder, über die Menschen, soweit es mir mit bescheidenen Mitteln möglich ist, aufzuklären, zumindest ein differenziertes Bild aufzuzeigen. So erkennt man eher den Menschen im Geflüchteten, so kann man Ressentiments abbauen. Das ist zumindest meine Hoffnung.

Du gibst selbst Fotoseminare & Workshops. Wie bildest du dich eigentlich selbst weiter?

Ich bin, wie viele Fotografinnen und Fotografen, ein Autodidakt. Learning by doing, trial and error. Aber natürlich habe ich auch viel gelesen, viele Bildbände und Magazine gewälzt, geschaut, wie Großmeister der Szene fotografieren. Das war vor zwanzig, dreißig Jahren mühsamer, es gab noch keine Youtube-Videos, noch keine Digitaldaten, aus denen man die Metadaten und Exif-Daten auslesen kann, um zu verstehen, mit welchen Einstellungen der Kamera wie Fotos entstanden sind. Ich habe früher tatsächlich Fotos gemacht und mir mühselig auf einen Zettel geschrieben, mit welcher Zeit, Blende und Zoomfaktor ich fotografiert habe und das mir hinterher am Leuchttisch angeschaut. So haben es viele Fotograf:innen gemacht. Heute ist das mit der Digitalfotografie sehr viel einfacher. Ich lerne natürlich selbst immer noch dazu, ich schaue auch regelmäßig Youtube Videos, lese Fotomagazine, Bildbände. Aber eher, um technisch up-to-date zu bleiben und um mich inspirieren zu lassen. Wie man gute Fotos macht, weiß ich ja inzwischen und gebe dieses Wissen in meinen Workshops weiter 😉.

Und zum Schluss natürlich unsere Frage, mit welchem Equipment du dich umgibst und was du auf deinen Reisen mitnimmst?

Ich war rund zwanzig Jahre lang Nikonianer. Vor ein paar Jahren bin ich aber auf Sony gewechselt. Ich wollte weg von den großen, schweren viel zu auffälligen Kameras hin zu kompakten, leichteren Spiegellosen. Und da war Sony ohne Frage vor Jahren der Pionier, auch wenn Nikon und Canon (und auch andere) längst mitgezogen haben. Um ehrlich zu sein: Zu Beginn meines Fotografenlebens fand ich es toll, solche Kamera-Boliden wie z.B. die Nikon D3X zu haben, es zeichnete einen schon optisch als Profi aus. Das ist mir heute alles nicht mehr wichtig. Im Gegenteil, da ich vor allem als Reportagefotograf unterwegs bin, versuche ich, mein Equipment möglichst gering zu halten, um unauffälliger zu sein. Ich habe drei Bodies, mehrere Objektive, Festbrennweiten wie Zooms. Wenn es auf eine Reise geht, und ich bin demnächst für ein paar Wochen in Saudi-Arabien für einen Bildband unterwegs, kommen aber „nur“ zwei Bodies mit (a7IV) und drei Objektive, natürlich das 24-70, ein 70-200 und ein Zeiss Batis 18er als Weitwinkel. Verpackt wird alles in meine Thinktank Tasche, die ich schon seit vielen Jahre habe. Ich liebe sie, weil sie nicht gleich als Kameratasche auffällt, „Low Profiel“ eben. Aber vielleicht kommt doch noch das 85er für Porträts mit…

Ihr seid interessiert an weiteren Infos zu Lutz Jäkel, dann schaut doch einfach mal unter:

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Fotografien: Lutz Jäkel