Im Gespräch mit – Mundologia-Gründer Tobias Hauser

„Wo kämen wir denn hin,
wenn alle sagten, wo kämen wir hin,
und niemand ginge, um einmal zu schauen,
wohin man käme, wenn man ginge.“
(Kurt Marti)

Tobias Hauser, Gründer und Veranstalter des MUNDOLOGIA-Festivals, lebt und arbeitet als freier Fotograf, Buchautor und Reisejournalist in Freiburg im Breisgau.

Heimatlichter: Die MUNDOLOGIA in Freiburg ist das größte Reportage-Festival Mitteleuropas. Was ist euch dabei besonders wichtig?
Tobias Hauser: So wie der Name heißt: Mundologia – einfach ein bisschen Weltkenntnis mitbringen und den Leuten mit nach Hause geben. Deshalb versuchen wir, wirklich hochkarätige Reportagen zu finden. Wobei es jetzt nicht nur darum geht, ein Land im touristischen Hinblick vorzustellen, sondern dass man etwas Neues und Spannendes über die Kultur, über die Religion, über die Natur und einfach die Schönheit der Welt erfährt. Und um die Menschen zu sensibilisieren, dass es Sinn macht, diese Schönheit für die kommenden Generationen zu erhalten. Ich denke, dass das Reisen den Menschen natürlich auch einen gewissen Weitblick gibt, und dass sie ihr Verhalten auch dementsprechend anpassen, wie es in der Zukunft notwendig sein wird.
 
Wie seid ihr auf die Idee zur MUNDOLOGIA gekommen? 
Es ist nicht so, dass es so etwas nicht schon in Deutschland gab. Bei den bisherigen Formaten bin ich selbst als Referent aufgetreten und fand das sehr faszinierend – diese Kombination, Vorträge anzuschauen und noch eine Messe dabei zu haben. Wir legen darauf Wert, nicht nur zu informieren, sondern dass sowohl die Aussteller als auch die Referenten einfach diese Live-Atmosphäre erleben.

Der Markt in Freiburg hatte sich leider negativ entwickelt. Damals hatte die Badische Zeitung ein ähnliches Format durchgeführt, aber hat dann aufgehört. Da die Branche eine immer weiter sinkende Qualität angeboten hatte, wollte ich einfach etwas Neues aufbauen. Die Leute wissen, wenn es unter MUNDOLOGIA läuft, dann kann man davon ausgehen, dass es gewisse Qualitätsstandards gibt. Früher konnte man einfach nur ein Plakat sehen und wusste nicht, wer den Vortrag hält und welche Qualität dieser hat. Wir wollten als Veranstalter eine gewisse Verantwortung übernehmen und eine qualitative Plattform aufbauen, um das Format Live-Reportage nicht ganz aus der Kulturlandschaft verschwinden zu lassen.

 
Corona war für viele Veranstaltungen und Kulturschaffende ein einschneidendes Erlebnis. Auch die Fotograf:innen waren davon extrem betroffen. Wie seid ihr damit umgegangen?
Wir haben ein Jahr pausiert und versucht, unsere Kosten zu minimieren – so gut es geht. Dabei haben wir leider auch unser Büro aufgegeben und Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Dazu haben wir uns von Anfang an klar entschieden, nichts Digitales zu machen, weil wir den Transfer von Live-Vortrag in die digitale Welt nicht machen wollten. Wenn es ein eigenes Format hat, dann ja – aber den Live-Vortrag in digital umzuwandeln, funktioniert in meinen Augen nicht.
Eine Zeitlang wurden wir von Spendern unterstützt. Aber das hat leider keine Zukunft, da die Kosten zu hoch sind und die Konkurrenz auch viel zu groß ist. Vor dem Bildschirm kommt auch die Atmosphäre nicht auf. Und da die Konkurrenz [online, Anm. d. R.] einfach viel, viel besser ist – man muss sich nur die ganzen Formate anschauen, wie Fernsehen, Netflix, Youtube oder Instagram – wo die Leute nach 10 Minuten wieder wegklicken. Ich habe auch von Leuten gehört, die Referenten digital angeschaut haben, dass sie diese Beiträge nicht gut fanden. Und das ist das Schlimmste, was dir passieren kann, denn dann werden sie diesen Referenten sicher nicht mehr live anschauen. Seine Arbeit live zu zeigen, ist einfach besser, hier können die Leute auch gemeinsam lachen. Da kommt einfach bessere Stimmung auf und natürlich sehen die Vorträge auch besser aus, weil sie auf großer Leinwand gezeigt werden. Und das kann mit Computer und Fernsehen nicht gleichgesetzt werden. Deswegen haben wir uns entschieden, online nicht mitzumachen.
Wir glauben, dass es die richtige Entscheidung war, weil wir die Freizeit genossen haben. Wir konnten letztes Jahr wieder durchstarten, auch wenn wir Beschränkungen hinnehmen mussten. Aber wir haben 27.000 Vorteilsbesucher erreicht – und das ist nicht schlecht für die schwierige Situation, die wir hatten. Und wir konnten auch noch damit Geld verdienen.
Also kann man sagen, dass die Leute froh waren, dass wir wieder live vor Ort waren. Die Zuschauer waren natürlich noch vorsichtig gewesen und kamen nicht in Massen wie sonst. Trotzdem hatten wir eine zufriedenstellende Saison. Nun geht es in die nächste Saison. Wir wissen aber auch, dass da noch viel kommen kann. Die Probleme sind nicht weniger geworden und es ist schon schwierig, sich zu motivieren, immer weiterzumachen.
Natürlich sind die goldenen Jahre vorbei, das muss man ganz klar sagen. Auch was das Sponsoring anbelangt, wird es sehr schwierig. Wir haben zum Glück über die letzten Jahre gutes Stammpublikum aufgebaut, von dem wir auch profitieren.
Mundologia-Gründer Tobias Hauser in Kuba
Tobias Hauser in Kuba
Was treibt euch nach 19 Jahren MUNDOLOGIA weiter an?

Die Corona-Zeit hat es jetzt schon ein bisschen schwierig gemacht, weil wir gerade vor Corona gesagt haben, dass wir uns ein bisschen zurücknehmen möchten und mehr Mitarbeiter eingestellt haben, um mehr abzugeben. Das ist leider schiefgegangen. Es ist schon schwierig, sich damit zu motivieren. Denn bei der MUNDOLOGIA ist das Thema Sponsoring sehr schwierig – das ist dann mein Part. Aber auf die Dauer natürlich auch nicht so wahnsinnig spannend. Aber bisher habe ich das gemacht und werde das sicher auch noch ein bisschen fortführen. Wir werden auch da vielleicht andere Wege in der Zukunft gehen. Wir sind natürlich in der glücklichen Situation, dass wir auch Dinge verändern können, wenn wir das Gefühl haben, dass es besser für uns ist. Momentan machen wir weiter wie bisher. Aber wie es genau weitergeht, muss man einfach mal schauen, vor allem mit Blick auf den Winter.

Nun kommt die nächste Saison und auf die arbeiten wir hin. Das 20-jährige wollen wir natürlich auf jeden Fall noch machen!

 
Kommen wir zu einem anderen Thema: Reisefotografie. Bei dir stehen Meist karibische Länder im Vordergrund – warum?

Das war mehr so Zufall, weil ich meinen ersten bezahlten Auftrag bekommen habe und dann war ich im richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Danach kamen immer wieder neue Aufträge und ich war damit erfolgreich. Ich habe einen sehr engen Bezug zu Kuba und habe in der Zwischenzeit sehr viel Freundschaften aufgebaut, bin mit einer Kubanerin zusammen und wir haben ein gemeinsames Kind.

Ich reise gern in Länder, wo ich die Sprache kann. Da ich Spanisch spreche, ist es natürlich leichter, gute Reportagen zu machen, weil die Sprache das verknüpfende Element ist. Ich denke, das ist der wesentliche Grund, warum ich schon gern nach Südamerika reise.

Mundologia-Gründer Tobias Hauser in Kuba
Tobias Hauser in Kuba
Das Thema Nachhaltigkeit bekommt ja im Bereich der Fotoreisen einen immer stärkeren Fokus. Wie siehst du die Zukunft dieses Bereichs?

Für mich persönlich: Ich werde ich mich wahrscheinlich zukünftig umorientieren. Ich will jetzt aber noch nicht so richtig verraten, wohin. Aber ich will mich ein bisschen mehr verabschieden von dem Thema Fotoreisen. Ich möchte in Zukunft mehr Secret Journey Reisen anbieten, da es für mich ist viel spannender ist, mit netten Menschen ins Unbekannte zu verreisen. Vor allem mit Menschen, die auch Interesse haben am Land, der Kultur und mit den Leuten vor Ort zusammenzukommen. Ich habe hier meine eigene Reisephilosophie in den letzten Jahren entwickelt. Dies kommt immer besser an und ich möchte in diesem Bereich eher weitermachen. Fotografie wird immer ein Bestandteil bleiben.

Die Thematik Klimawandel ist natürlich ein großes Thema, dem ich mich auch stellen muss. Deshalb kann es schon sein, dass ich in Zukunft weniger Reisen machen werde. Der Dollarkurs macht Reisen derzeit auch sehr schwierig und teuer. Auch Fliegen wird immer teurer und hier ist dann die Frage, ob dann überhaupt noch eine Gewinnspanne drin sein kann und die Menschen bereit sind, die hohen Preise zu bezahlen. Es kann auch gut sein, dass ich in Zukunft einfach nur mit 2, 3, 4 Leuten verreise, um flexibler und eng mit den Menschen unterwegs zu sein.

Bei der Thematik Klimawandel und Reisen hat man etwas gesucht, das einfach greifbar ist. Und natürlich ist das Fliegen plastisch das Symbol für die ganzen Probleme, die wir haben. Aber es ist eigentlich viel zu kurz gedacht, weil man sich erst mal klar machen muss, wie viele Menschen im Tourismus davon abhängig sind. Man hat durch Corona gesehen, was passiert, wenn das zusammenbricht.

Das ganze Thema Rüstung & Militär, wo jetzt überall wahnsinnig viel investiert wird, ist in der Öffentlichkeit dagegen kein Thema. Eine Stunde mit einem Jet in der Luft – da kann man 7 Jahre Auto fahren. Klar, der Krieg ist natürlich ganz dramatisch. Vor allem in der Industrie, da müsste viel mehr passieren, um CO2 einzusparen.

Man kann daher nicht nur sagen, dass wir auf das Reisen verzichten und dann wird das Klima gerettet – das wird eben nicht so sein. Wir müssen vielleicht darüber nachdenken, wie wir reisen und wir müssen vielleicht darüber nachdenken, dass wir möglichst nachhaltig reisen und Hotels unterstützen, die Nachhaltigkeitskonzepte haben. Dass viel von dem Geld, was man in ein anderes Land mitbringt, auch bei den Menschen vor Ort ankommt. Wir dürfen natürlich nicht mit Kreuzfahrtschiffen reisen. Das sind die Themen, die viel wichtiger sind und die wir genauer betrachten müssen.

Die Welt werden wir nicht retten, wenn wir auf das Reisen verzichten. Das Element Reisen bringt so viel Positives. Man sieht ja, wenn Menschen nicht reisen, wie schnell sie polarisieren, wie schnell Sie abdriften in irgendwelche verrückte Welten – weil sie nie über diesen Horizont geschaut haben. Man versteht [durch Reisen, Anm. d. Red.] ja auch andere Kulturen und Religionen besser und sieht, wie es in anderen Ländern zugeht. Und den eigenen Lebenswandel betrachtet man nochmal neu, wenn man mal auch in anderen Ländern war, wo man sieht, was eben nicht normal ist!

Ich bin sicher, die Menschen, die das einmal erlebt und gesehen haben, werden vielleicht auch bewusster ihr eigenes Leben leben und versuchen, mit ihren Möglichkeiten dann auch was Positives zu tun. Deshalb finde ich auch weiterhin Reisen wichtig und ich will Menschen dazu in Zukunft motivieren, richtig zu reisen und ihnen das Wertvolle am Reisen zeigen – denn nur die Highlights abhaken und schöne Fotos mitbringen, das ist ja nicht der Sinn vom Reisen.

 

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