Im Gespräch mit – Reiner Voß

„Wenn wir alle nichts für deren Erhalt tun, haben wir demnächst nicht mehr diese wunderschönen Landschaften um uns herum – weder zum Fotografieren noch zum Erleben.“ (Reiner Voß)
Reiner Voß, gebürtiger Hamburger und inzwischen überzeugter Pfälzer, ist als Fotograf in einem großen Spektrum unterwegs: Kultur, Presse, Werbung und Landschaft. Mit ebenso beeindruckenden wie bedrückenden Fotos von eben nicht mehr schönen, sondern vom Klimawandel stark veränderten Landschaften möchte er auf diese Bedrohung aufmerksam machen und seine Mitmenschen wachrütteln.

Heimatlichter: Du bist gebürtiger Hamburger, was hat dich in die Pfalz geführt? 

Reiner Voß: Ich habe in Kaiserslautern Biologie studiert. Ein Computer der ZVS meinte, dass ich der Richtige sei, nach Lautern gehen zu müssen. Ich habe dann hier mein Vordiplom gemacht und wollte eigentlich wieder weg. Aber die Uni war so gut, dass ich beschlossen habe zu bleiben – und das jetzt seit 39 Jahren. Mittlerweile bin ich Pfälzer, auch wenn ich nach wie vor gerne „Hanseat“ bin.

Du bist in vielen Genres der Fotografie unterwegs, hast Du ein „Steckenpferd“?

Das hat sich alles ein bisschen aus der Historie entwickelt. Ich habe mein Studium mit Fotos finanziert. Zum einen habe ich bei meinem damaligen Biologieprofessor das Fotolabor „geschmissen“ und habe dort für die Diplomaten und Doktoranden Fotos gemacht und diese dann auch entwickelt. Vom ersten Tag an habe ich außerdem durch einen Zufall als Haus- und Hoffotograf des Kulturzentrums „Kammgarn“ gearbeitet. Über diese Kultur-Fotografie bin ich zu Schauspielern und Musikern gekommen – und habe dann vor über 30 Jahren angefangen, für die Zeitung „Rheinpfalz“ als Fotograf zu arbeiten. Das war dann der zweite Teil: Presse-Fotografie. In Mainz habe ich nach dem Biologie-Diplom noch ein Aufbaustudium Journalismus absolviert.
Im Laufe der Zeit kam die Werbefotografie dazu, was ich auch heute noch mache. Mittlerweile mache ich auch Videos und seit über 30 Jahren auch Landschaftsbilder aus der Pfalz.

Warum habe ich eingangs gesagt, dass ich mittlerweile Pfälzer bin? In den letzten drei Jahren konnte man wegen des Virus nicht wirklich irgendwohin. Da habe ich es sehr geschätzt, dass wir hier eigentlich „im Urlaub“ sind. Dass wir in einer Region leben, die ihresgleichen sucht und touristisch eigentlich viel intensiver angetrieben werden könnte. In den letzten zehn Jahren habe ich sehr viele Bilder in der Pfalz gemacht – auch um Menschen zu zeigen, wie schön es hier ist und dass man hierher kommen kann.

Ich bin durch „meinen“ Pressefotografen oft in Verbindung mit kommunaler Politik. Gerade hier bei uns in der Westpfalz – also nicht nur in Kaiserslautern, Pirmasens, Zweibrücken oder Kusel – besteht das große Problem, dass wir hohe Arbeitslosenzahlen haben, im Vergleich zu anderen Regionen. Dass die Kommunen große Probleme haben, Geld zu generieren. Andere Regionen in Deutschland, wie der Schwarzwald oder das Chiemgau, leben vom Tourismus und haben eigentlich darüber hinaus auch nicht viel anderes. Ich verstehe immer nicht, warum man es nicht schafft, diese Gegend hier – vor allen Dingen auch die Westpfalz – besser zu vermarkten: Touristisch den Menschen näher zu bringen, sie zu motivieren, hier Urlaub zu machen und letztendlich dann ihr Geld auch hier auszugeben. Ich rede mir dazu oft den Mund franselig. Wenn man sich das zum Vergleich z.B. in der Vorderpfalz und der Weinstraße anschaut, wo die Pfalz.Touristik sehr aktiv ist, sieht man, was möglich wäre. Aber diese spezielle Regionen hier bei uns – um mal in der Fotosprache zu bleiben – ist immer unterbelichtet, und das ist sehr schade.

Du beobachtest die Natur in unserer Region und begleitest den Klimawandel mit beeindruckenden Fotografien. Welches Motiv oder Region hat dich dabei am meisten bewegt?

Der Ursprung dieser Serie bzw. der Beweggrund, etwas zu tun und auch diese Bilder zu zeigen, war in der Region hier nahe am Donnersberg. 2020 kam das Virus und mit dem Virus kehrte auf der einen Seite eine Ruhe ein, aber auf der anderen Seite auch ein Stillstand in meinem Beruf. Ich hatte auf einmal nichts mehr zu fotografieren, da alles lahmgelegt war. Wir sind dann oft spazieren gegangen und waren im Sommer am Donnersberg. Dort sind wir über Wiesen gelaufen und man konnte sehen, dass diese total verdorrt waren, und Obstbäume, die schon seit Jahrzehnten existierten, halb oder ganz tot waren. Das war bei mir ein so einschneidendes Erlebnis, dass ich das dann fotografiert habe. Ich habe aber lange Zeit gezögert, diese Bilder zu veröffentlichen.

Ursprünglich war meine Idee, in dieser Zeit schöne Bilder von der Pfalz zu zeigen, um den Menschen Mut zu machen, rauszugehen in die Natur und nicht die Sehnsucht nach der Ferne zu haben. Sondern dass die Region, in der wir leben, schon der Urlaub sein kann – also man eigentlich nur mal vor die Haustür gehen muss. Nach einer Weile habe ich dann aber doch für mich beschlossen, auch diese „anderen“ Bilder zu publizieren – vor allem auf Facebook. Das Virus – wie man heute auch sieht – hatten wir irgendwann im Griff; aber diese Veränderungen, die in unseren Landschaften eingetreten sind (und das war ja nicht nur am Donnersberg), das war schon heftig. Obwohl ich mich seit Jahrzehnten mit Zukunftsforschung oder auch mit Umwelt auseinandersetze, war ich überrascht von der Geschwindigkeit und vor allen von der Wucht, wie der Klimawandel bei uns da war.

Was mir vielleicht für diese Bilder zur Verdeutlichung des Klimawandels zugute kam, war meine Ausbildung als Biologe. Gerade am Donnersberg habe ich 2018 schon die ersten Details wahrgenommen, in denen man den Beginn der Veränderung sehen konnte. 2019 waren an den gleichen Stellen ein Fortschreiten zu erkennen. 2020 war dann eigentlich die Katastrophe da und ein erheblicher Teil des Donnersberg war „halb tot“. Als Pressefotograf wusste ich, wie man Nachrichten macht und wie man Nachrichten anderen Menschen nahe bringt. Es war einfach diese Kombination aus Biologie und Fotografie und auch das Interesse an der Zukunft, warum diese Fotoserie entstanden ist.

Ich habe ja eingangs gesagt, dass ich gerne Bilder von der Pfalz mache und viele unserer Kollegen machen nach wie vor wunderschöne Fotos – von Felsen, von Sonnenuntergängen, von Bäumen… Da fiel mir auf, dass man nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch die Foto-Kolleg:innen darauf aufmerksam machen muss. Dass, wenn wir noch länger diese schönen Bilder machen möchten, wir dringend etwas dafür tun müssen. Wenn nicht, haben wir irgendwann Wüstenlandschaften. Das war der Beginn für mich, mich systematisch mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich habe dann Spaziergang für Spaziergang, Wanderung für Wanderung immer mehr Gebiete gezielt angeguckt. Dazu habe ich mir Landkarten genommen und geschaut, wo es Seen oder Bäche gibt. Und dann in den letzten drei Jahren regelmäßig überprüft, welche davon überhaupt noch existent sind oder ob man inzwischen zu Fuß den Bach durchlaufen kann. Und das ist leider in vielen Regionen gerade im letzten extremen Sommer der Fall gewesen, was sehr bitter ist. Mittlerweile sind hunderte von Bildern an dutzenden Orten quer durch die Westpfalz und die Pfalz entstanden.

Was können wir als Fotograf:innen gegen den rasanten Klimawandel beitragen?

Ich glaube, man muss sich im Klaren darüber sein, was einerseits bereits eingetreten ist, und was andererseits noch auf uns zukommt – und dass das in Frage stellt, was wir uns erträumt haben. Auch wenn wir jetzt anfangen alles richtig zu machen, wird es noch eine ganze Zeit dauern, bis der Temperaturanstieg zu einer Abflachung kommt. Was ich mir für jeden Einzelnen, also auch nicht nur für Fotograf:innen, wünsche, ist: „Weniger ist mehr“. Natürlich möchte jeder gern in den Urlaub fahren. Aber die Frage ist: Muss man gleich dreimal im Jahr in den Urlaub fliegen oder reicht vielleicht auch einmal? Muss man unbedingt irgendwelche Palmen am anderen Ende der Welt fotografieren oder bleibt man mit seinen Fotoapparat nicht mal in Europa und überlegt, was man hier bei uns zu Hause machen kann.

Man muss leider auch erwähnen, dass viele Fotograf:innen gerade in der Pandemiezeit – als eigentlich alle zu Hause geblieben sind – auf allen möglichen oder unmöglichen Felsen Lagerfeuer gemacht haben, und diejenigen, die eigentlich sonst nicht im Wald unterwegs waren, anfingen diesen auch noch kaputt zu machen. Zum Glück hat der ein oder andere Kollege dann auch diese Bilder gezeigt und damit aufgezeigt, dass wir alle daran beteiligt sind, gerade Dinge kaputt zu machen. Das ist schwierig, auch für mich, der diese Bilder gemacht hat. Ich mache diese Bilder im Ehrenamt, d.h. ich verdiene mit diesen Bildern nicht wirklich etwas. Es kostet viel Zeit, diese Landschaften anzuschauen und sich auch um dieses Thema zu kümmern. Aber es ist einfach wichtig – vor allen Dingen für meine und unsere Kinder, die irgendwann in dieser Zukunft werden leben müssen – dass jeder Beitrag, und sei er noch so klein, dazu beiträgt, dass die Menschen ihr Verhalten ändern – und dass es viele Dinge gibt, die wir tun können.

Wer sich als Berufskolleg:in auf Landschaftsbilder spezialisiert hat oder von schönen Bildern lebt, für diejenige/denjenigen ist es natürlich schwierig und kontraproduktiv, die kaputten Ecken zu zeigen. Vielleicht sollte man beides machen: Nicht nur die superschönen abenteuerlichen Fotos oder Sonnenuntergangsbilder machen, sondern auch gleichzeitig die Landschaften, die kaputt gegangen sind oder am Kaputtgehen sind, fotografieren und zeigen. So gerne wir alle hier leben und es schön finden – wenn wir nichts für den Erhalt tun, dann haben wir demnächst einfach nicht mehr diese tollen Landschaften, weder zum Fotografieren noch zum Erleben.

Welches Equipment bevorzugst du bei deinen Landschaftstouren?


Ich arbeite schon lange mit Canon Kameras. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, bin ich mir noch nicht so ganz sicher, weil ich zwischen zwei Systemen pendele. Für mich ist eher die Frage, in welche Bereiche ich zukünftig gehe, da ich immer mehr Videos mache und die Kameras auch zum Filmen benutze. Dabei haben sich für mich zwei Systeme herauskristallisiert: das ist zum einen Canon, aber auch Sony, welches mittlerweile herausragend ist.

Reiner, ganz herzlichen Dank für das Gespräch – und Dein Engagement!